Léon van Ommen promovierte am 27. März über das Verhältnis zwischen Leid und Liturgie. Im folgenden Text fasst er sein Ergebnis zusammen:
In den vergangenen Jahren habe ich mich damit beschäftigt, ob im sonntäglichen Gottesdienst ein Raum für unser Leid ist. Wie schön kann es sein, wenn man sich in seinen Schmerzen, in Trauer oder Schwierigkeiten verstanden weiß. Meine Forschung hat gezeigt, dass sich viele Menschen in der Liturgie verstanden fühlen, auch wenn der Gottesdienst selbst keine direkten Anknüpfungspunkte bietet. Die Verbindung zwischen Liturgie und den Leidensgeschichten von Menschen muss von ihnen selbst hergestellt werden.
Zum Glück gibt es im Gottesdienst viele Möglichkeiten die eigene Geschichte in der Geschichte der Liturgie zu erkennen. Das geschieht durch Lieder, die Schriftlesung, die Predigt und insbesondere durch das Heilige Abendmahl. Das kann mit einem gut ausgewählten Willkommenswort des Pastors beginnen. Er hat eine wichtige, verantwortungsvolle Rolle. Auch wenn die Hauptrollen in der Liturgie Gott und die Menschen innehaben, entscheidet der Pastor was gesagt, gesungen und getan wird. Stell dir einmal vor. Jeden Sonntag erzählt die Liturgie die leidvolle Geschichte des Vaters, der seinen Sohn verloren hat. Jeden Sonntag hören wir die Geschichte Gottes, der unser Leid auf sich genommen hat. Durch Jesu Menschwerdung umarmt Gott das Leid, um dann am Karfreitag, Ostersamstag und Ostersonntag damit ein Ende zu machen. Jeden Sonntag hören wir, dass Gott mit uns mitleidet, uns in unserer Situation versteht. Immer wieder lädt uns Gott ein, um Teil seiner Geschichte zu werden, wie er auch Teil unserer Geschichte wurde. Deshalb bekommen wir, wenn wir an der Liturgie teilnehmen, einen Anteil der Hoffnung, die Gott uns gibt. Die Hoffnung nimmt das Leid und die Aussichtslosigkeit des eigenen Leides und Schmerzes ernst. Es ist die Hoffnung auf neues Leben, die nach der Dunkelheit von Karfreitag und dem langen Schweigen von Ostersamstag ans Licht kommt.
Meine Doktorarbeit läuft letztendlich auf ein Plädoyer für mitfühlende, liturgische Gemeinschaften hinaus, in denen das Leid Gottes und der Menschen thematisiert wird. Wie schön die Liturgie auch sein mag, sie berührt die Menschen nur dann, wenn sie im Rahmen einer mitfühlenden Gemeinschaft stattfindet. Eine solche Gemeinschaft zeichnet sich durch Gastfreundschaft aus. Zudem ist es wichtig Raum zu schaffen, um einander unsere Leidensgeschichten zu erzählen. So eine Gemeinschaft lebt im Bewusstsein der Zerbrochenheit des Kreuzes. In so einer Gemeinschaft können unsere Wunden heilen.
Dr. Léon van Ommen
Übersetzung von Nils Sperlich, Masterstudent an der ETF.
Bildnachweis: „Man of Sorrows“ von Peter Splinter.